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Naturalistischer Fehlschluss

Naturalistischer Fehlschluss



Die Natur ist gut – die Natur will das so – die Natur wehrt sich. All diese Sprüche hört man gelegentlich, in Zeiten von Corona sogar vermehrt. Diese Formulierungen sind ein plakatives Beispiel für einen naturalistischen Fehlschluss und dabei auch gefährlich, da sie sozialdarwinistische Gedanken verbreiten.

Bei einem naturalistischen Fehlschluss handelt es sich um eine Fehldeutung von moralischer Urteilskraft, und zwar schreibt man der Natur die Fähigkeit zu, dass sie gut handelt und alles was natürlich sei, wäre gut. Dem ist aber nicht so, denn gut können nur Lebewesen handeln, die über ein moralisches Verständnis verfügen, beispielsweise wir Menschen. Die Natur als Wesen gibt es nicht. Viel eher kann man die Natur als das Zuhause von Lebewesen beschreiben, welches nicht zerstört werden darf, um die Lebewesen zu schützen. Hierbei wertet der Mensch, dem es ein Anliegen ist, sich selbst und seine tierischen und pflanzlichen Mitbewohner zu bewahren. Viele Menschen fühlen sich wohl, wenn sie durch den Wald gehen, und darin beispielsweise einen Fuchs sehen. Deshalb interpretiert der Mensch, dass die Natur gut ist. Nicht jedoch für die Natur, die hat dazu keine Meinung, weil sie kein Wesen ist. Man kann Parallelen zwischen einem Haus und der Natur herstellen: Sein Haus pflegt man und achtet darauf, dass es nicht zusammenbricht. Werden einmal Dachschindeln weggeweht, repariert man die kaputte Stelle wieder. Aber das Haus per se ist nicht gut oder böse. Es entscheidet nicht, wer eintreten darf und wer nicht, das entscheiden die Bewohner. Auch ist ein Haus nicht versucht, bei einem Verbrechen, das in ihm passiert, einzugreifen, und das kann man dem Haus auch nicht vorwerfen, weil es keine Moral hat. Nein, es steht einfach nur da und ist was es ist - eine Behausung. Bei einem Haus ist das einleuchtend, bei der Natur sind wir oft geneigt, ihr moralische Fähigkeiten zuzusprechen. Aber es ist ähnlich wie bei dem Haus, die Natur ist einfach nur unser Lebensraum. Selbstverständlich wird die Natur von uns Menschen geliebt, weil es unsere Lebensgrundlage ist. Deshalb sind wir schnell dazu geneigt, die Natur als gut zu bezeichnen, weil ein Waldspaziergang unsere Laune hebt und wir sehr oft staunen über das, was wir in natürlichen Lebensräumen so alles finden. Aber gut ist die Natur nicht. Sie ist auch nicht böse. Sie ist einer moralischen Wertung nicht mächtig.

Einen Unterschied gibt es, und zwar die Komplexität: Anders als bei einem Haus kann man die Natur nicht so schnell reparieren, da das komplexe Zusammenspiel der ökologischen Faktoren sehr umfassend ist. Die Mathematik gibt uns Einblick in Teile der ökologischen Struktur. Keinesfalls sollten wir aber planlos in natürlichen Habitaten herumpfuschen, denn viele Auswirkungen auf uns Menschen und unsere tierischen und pflanzlichen Mitbewohner können wir vorher nicht abschätzen.
Da natürliche Lebensräume für alle Erdenbewohner von immensem Wert sind, weil sie unsere Lebensgrundlage bilden, kann man einem Menschen, der die Natur zerstört, eine böse Absicht zuschreiben. Genauso kann man Menschen, die sich für den Naturschutz einsetzen, eine gute Absicht zuschreiben – denn Menschen können moralisch handeln, die Natur nicht.

Leider höre ich momentan sehr oft misanthropische Sprüche wie: „Die Natur möchte durch Corona die Menschen los werden“ oder „Wir sind zu viele Menschen auf diesem Planeten, da schadet so ein Virus nicht.“ Oder „Ältere Menschen sollen sich den jüngeren opfern.“ Diese Sprüche sind menschenverachtend und fördern sozialdarwinistische Gedanken, welche eine fehlerhafte Übertragung von biologischen Gesetzmäßigkeiten auf die menschliche Gesellschaft darstellen. (Hier sei erwähnt: Diese Fehlinterpretation von Darwins Evolutionstheorie entspricht keinesfalls der Idee und Weltbild von Darwin). Ich appelliere daran, die Macht dieser Sätze nicht zu unterschätzen und die Natur nicht als Rechtfertigung für Leid zu verwenden. Auch ist es wichtig, die Natur weiterhin mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen, als unsere Lebensgrundlage, aber nicht den naturalistischen Fehlschluss zu begehen, die Natur als gut oder böse handelndes Wesen darzustellen – denn das ist sie nicht.

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Was sind deine Gedanken zum naturalistischen Fehlschluss? Welche Beispiele von naturalistischen Fehlschlüssen fallen dir ein?
 

     
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